Freitag, 10. Juli 2015

Reiseziel Mond oder ISS

Die NASA hatte zur Versorgung der Internationalen Raumstation (ISS) vor kurzem die Versorgungsrakete "Dragon" gestartet, die vor verlassen der Atmosphäre explodiert ist. Mit dieser Rakete wollten die Amerikaner Raumfahrtgeschichte schreiben. Geplant war, dass das Trägersystem genauso auf der Erde kandet, wie es gestartet ist. Wie das funktioniert hat bereits in den 1950er Jahren Herge bei Tim und Struppi gezeigt, und das, wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, wo noch kein Mensch in einer Rakete die Erdatmosphäre verlassen hat. Zur Erinnerung: Bei der ersten Mondlandung ist dss Mutterschiff um den Mond gekreist, während das Landemodul auf dem Mond gelandet ist. Von einem raketenähnlichen Objekt war zu diesem Zeitpunkt weit und breit nichts mehr zu sehen. Herges Ilkustrationen schienen deshalb weit an der Realität vorbei gezeichnet. Umso verrückter, dass die sehr vereinfachte Darstellung der Mondlandung, mit einer Rakete, die genauso wie sie gestartet ist auch wieder landet, zur Vision der Raumfahrt im Jahr 2015 geworden ist. Fantastisch! Hier ein Animationsvideo aus den ZDF-Nachrichten.
 
 

Donnerstag, 9. Juli 2015

Die ganz grossen Bilderbuchautoren

Gerade absolviere ich mit meiner Tochter die Eingewöhnungsphase in der Kita. Heute war sie zum ersten Mal alleine in der Gruppe, während ich im Elternzimmer gewartet habe. In diesem Zimmer ist auch die Bibliothek der Kita untergebracht. Auf Entdeckungsreise nach Neuem musste ich feststellen, dass offensichtlich schon länger nichts mehr beschafft wurde. Also habe ich mir zur Aufgabe gemacht herauszufinden von welchen Autoren mehr als ein Werk vorhanden war. Und natürlich waren es die üblichen Verdächtige, nämlich die ganz Grossen der Branche: Eric Carle, Leo Lionni, Helme Heine, Marcus Pfister und Julia Donaldson. Alles Autoren, die hervorragende Vorbilder für die eigene Autorschaft sein können. Man selbst wäre allerdings zufrieden, wenn man vielleicht irgend wann einmal selbst mit nur einem einzigen Buch in dieser Bibliothek vertreten wäre. Träumen ist schliesslich erlaubt!

Sonntag, 21. Juni 2015

I WANT MY HAT BACK von Jon Klassen

Jon Klassen wird mit "I WANT MY HAT BACK" als großer Autor und Illustrator gefeiert. Auch ich bin der Meinung, dass er ein überdurchschnittliches Werk abgeliefert hat. Dennoch bin ich mit meiner Gesamtbeurteilung verhaltener. Die größte Leistung ist in meinen Augen, dass Klassen den von ihm bevorzugten Schluss durchgesetzt hat. Der Bär frisste den Hasen auf. Punkt! Damit hat das Kinderbuch etwas alttestamentliches. Unweigerlich fühlt man sich an "Auge um Auge, Zahn um Zahn" erinnert. Die Geschichte wird jedoch auch in die Moderne transportiert. Es geht nämlich nicht nur darum, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sondern auch darum, dass selbst die "plumpe Ausrede" kopiert wird. Mich erinnert das z. B. an die Mechanismen des Raubfischkapitalismus. Viel wichtiger aber ist: Hier spiegeln sich urkindliche Verhaltensweisen wider. Dadurch ist es eine Geschichte über Rohdiamanten, die noch nicht im Rahmen eines Sozialisatzionsprozesses veredelt worden sind. Unreflektiert übernimmt der Stärkere die Mechanismen, die ihm zuvor präsentiert wurden. Wir sind eben noch nicht beim Mehrfachmord in Charlston angekommen, wo der Täter großzügig von den Hinterbliebenen Vergebung erfährt. Klassens Buch legt jedoch den Grundstein für den Vorleser, um genau über solche Themen mit seinem Publikum zu sprechen. Was mir am Buch weniger gefällt ist Folgendes: Eigentlich könnte das Buch mit Seite 8 enden. Der Bär, der übrigens aussieht wie ein Biber ohne Zähne, trifft den Hutdieb. Bis heute verstehe ich nicht, warum der Protagonist nicht sofort zuschlägt. Vermutlich kann Klassen die Geschichte hier nicht beenden, weil er sonst kaum Gelegenheit hätte, den Bären ebenfalls die scheinheilige Ausrede, er habe den Hasen nicht gefressen, formulieren zu lassen, die ihn schlussendlich ebenfalls als Täter überführt. Dennoch hat man als Leser den Eindruck, dass hier eine Geschichte lediglich in die Länge gezogen wird, um die für Bilderbücher üblichen 32 Seiten zu füllen. Davon erholt sich die Geschichte kaum. Bis heute verstehe ich außerdem nicht, warum der Bär den Dieb erst identifizieren kann, nachdem er dem Hirsch seinen Hut beschrieben hat. Noch viel weniger verstehe ich jedoch, warum der Hase so dumm ist und den Hut nach seiner Begegnung mit dem Bären nicht erst einmal in Sicherheit bringt. Will hier der Autor auch noch die Todsünde "Eitelkeit" vorführen? Überhaupt leuchtet mir nicht ein, warum sich der Hase in einen so langen Dialog mit dem Bären verwickeln lässt. Man hat den Eindruck, der Dieb bringt sich mit seinem ungeschicktes Dialogverhalten erst richtig in Schwierigkeiten. Das dilettantische Verhalten wiegt fast schwerer, als der Diebstahl selbst.
Sehr gelobt wird Klassen auch für seine Illustration. Diese ist durch ihre Schlichtheit und Sachlichkeit tatsächlich beeindruckend. Klassen schafft es vor allem, seine Figuren in einer gewissen Distanziertheit darzustellen. Das ist erforderlich, weil schließlich keines der Tiere, und schon gar nicht Hase oder Bär, als Sympathieträger erscheinen dürfen. Beide bleiben dem Leser deshalb auch bis zum Schluss fremd, was die Kritik an der Handlung der beiden Tiere auch illustratorisch unterstreicht. Beides führt jedoch auch dazu, dass mein Sohn keinen Zugang zu diesem Buch findet. Es scheint mir mehr ein Erwachsenen-, denn Kinderbilderbuch zu sein, was aber durchaus gestattet ist. Beeindruckend finde ich im Übrigen das Farbspiel mit "rotem Hut, roter Seite und roter Schrift". Das ist ästhetisch anspruchsvoll und wirklich großartig gemacht. Leider lässt es mich am Ende aber noch verwirrter zurück, weil ich einfach nicht verstehen kann, warum der Bär diesen markanten roten Hut im ersten Gespräch mit dem Hasen nicht erkennen kann oder will. Mein abschließendes Urteil: Ich greife im Regal viel lieber zu Leo Lionni als zu Jon Klassen.

Montag, 15. Juni 2015

Making the Moose Out of Life von Nicholas Oldland

George W. Bush hat 1999, als er für das Amt des US-Präsidenten kandidierte, auf die Frage nach seinem Lieblingskinderbuch mit "The Very Hungry Catterpillar" geantwortet, das jedoch erst auf den Markt gekommen ist, als er 22 Jahre alt war. Die kleine Raupe Nimmersatt ist ein echter Klassiker. Sie ist so gut, dass man tatsächlich auch einem Menschen, der schon Erwachsen ist abnimmt, dass das es sein Lieblingskinderbuch ist. Eric Carle ist eine Institution im Bilderbuchgeschäft. Zugegeben, ich weiss relativ wenig über ihn. Das gilt auch für viele andere berühmte Kinderbuchautoren oder Illustratoren. Dennoch lehne ich mich heute weit aus dem Fenster und erlaube mir anhand von zwei Werken den gesellschaftlichen Wandel und den Wandel des Bilderbuchmarktes zu beschreiben. Dabei lässt es sich auch nicht vermeiden, über die Charaktere der Autoren und Illustratoren zu spekulieren. Fangen wir mit letzterem an: Wenn Sie an den künstlerischen Leiter einer Werbeagentur denken, an was denken Sie dann? Bei mir ist es eine 70 Stundenwoche, Stress, Kompromislosigkeit, perfekte Ergebnisse, marktaffine Produkte und einzigartige Menschen die sich auch auf perfekte Weise selbst zu verkaufen wissen. Ich vermute, dass viele dieser Attribute von Nicholas Oldland erfüllt werden, der mit "Making the Moose Out of Life" am 1. September 2009 ein Buch veröffentlicht hat, dass illustratorische Standards neu definiert hat. Ich selbst bin ein großer Fan von diesem drolligen Elch mit seinen zwei Freunden Bär und Biber. Sie sind ein Augenschmaus und echte Sympathieträger. Jetzt kommt das große "Aber": Noch besser als im Kinderbuch gefallen sie mir auf einem 12-Monats-Kalender und ohne Bilderbuchtext. Denn: Die Geschichte von einem lethargischen Elch, an dem das Leben in nicht auszuhaltender Passivität vorbeizieht, und der sich durch eine klassische "Robinso Crusoe-Geschichte" aus seinem beklemmenden Leben befreit, ist nur im Ansatz hervorragend. Was Oldland jedoch in der zweiten Buchhälfte entwickelt lässt mir so die Haare zu Berge stehen, dass ich trotz hervorragender Illustration im Bekanntenkreis keine Kaufempfehlung für dieses Buch mehr ausspreche. Je weiter man liest, umso mehr bekommt man den Eindruck, als schreibe Oldland im persönlichen Auftrag von Jochen Schweizer. Einziges Ziel: noch mehr Fallschirmsprünge und Parasailing-Ausfahrten sollen verkauft werden. Das Bilderbuch vermittelt nicht mehr, als dass das Leben nur einen Zweck hat: "enjoy yourself". Und das geht, so suggeriert es zumindest das Buch, am besten durch ins Extreme gesteigerte Freizeitbeschäftigungen, für die man im realen Leben nicht nur "Kopf und Kragen" riskiert, sondern auch noch eine Menge Dollars auf den Tisch zu blättern hat. Mein Fazit deshalb: Dieses Buch wurde nicht für Kinder verfasst, sondern vor allem für Erwachsene, die ihrem Kind mit Sprüchen wie "der Papa ist auch Fallschirmspringer, Bungee-Jumper etc." imponieren wollen. Es gibt keinen Bildungs- oder Wertvermittlungsanspruch. Einziger Anspruch dürfte eine möglichst große Auflage gewesen sein. Der Werbechef zeigt, dass er nicht nur in seinem originären Wirtschaftsbereich für steigende Verkaufszahlen sorgen kann, sondern dieselben Mechanismen auch in jedem anderen Bereich funktionieren. Das Bilderbuch wird reduziert auf die Botschaft des Autors, mit jedem beliebigen Produkt am Markt erfolgreich sein zu können. 40 Jahre früher, als Eric Carle den Bilderbuchmarkt revolutionierte, waren die Vorzeichen umgekehrt. Mit "Die kleinen Raupe Nimmersatt", das ist zumindest mein Gefühl, hat Carle sein Fachwissen als Art Director dem Bilderbuchmarkt zur Verfügung gestellt und sowohl optisch als auch mit haptisch für ein bisher nicht dagewesenes Bilderbucherlebnis gesorgt. Gepaar war das alles mit dem Anspruch, das Bilderbuch auch inhaltlich zu revolutionieren. Der starke Fokus auf die Wissensvermittlung und der stark reduzierte und auf das Wesentliche abzielende Text, scheinen dafür die Belege zu sein. Das Gesamtkunstwerk "Bilderbuch" nimmt bei Eric Carle das Kind nicht nur in den Blick, sondern es versucht ausschließlich ihm gerecht zu werden. Leider ist mir die Größe der Erstauflage nicht bekannt, aber ich würde vermuten, dass weder Autor noch Verlag den Plan hatten, damit das große Geld zu verdienen. Tassen, Plüschraupen und diverse Merchandisingartikel sind ebenfalls erst viel später hinzu gekommen, während man bei "Making the Moose Out of Life" das Gefühl nicht los wird, dass es das Bilderbuch nur braucht, damit im "Non-Book-Bereich" die Kassen erst so richtig klingeln. Mein Wunsch für die Zukunft: "Zurück zu Eric Carle was die Orientierung auf das Kind und die Gestaltung des Produktes angeht, bei gleichzeitiger konzeptioneller Integration des Non-Book-Bereichs." Hier heist es auch von Lego lernen.

Freitag, 12. Juni 2015

Oscar and the Frog: A ABOUT GROWING von Geoff Waring

Ich bin ja ein Anhänger der alten Bilderbuchdefinition. Bilderbuch ist alles, was Illustrationen enthält. Die moderne Definition ist jedoch enger gefasst. Es werden vier Unterkategorien unterschieden: erzählendes Bilderbuch, Märchenbilderbuch, Sachbilderbuch und Spielbilderbuch. Es gibt noch weitere Untergliederungen. Heute steht das erzählende Sachbilderbuch im Mittelpunkt. Geoff Waring hat mit "Oscar and the Frog" einen weit beachteten Standard gesetzt. Das Buch handelt von einer kleinen Katze, die am See zum ersten Mal Kaulquappen sieht und keine Ahnung hat, was das ist. Ein Frosch erklärt der Katze, was Kaulquappen sind. Es entwickelt sich ein Gespräch über das Wachstum von Tieren. Über Tiere die Schlüpfen und Tiere die lebendig geboren werden. Das Buch ist ein hervorragendes Vorlesebuch und besticht durch eine klare und überzeugende Illustration. Es wäre noch besser, wenn die Katze etwas lieblicher dargestellt wäre. Nicht verstanden habe ich bis heute, warum gerade ein Frosch zum großen Lehrer für die Katze wird. Glaubwürdige wäre die Geschichte mit zwei Kindern gewesen, einem Kind und einem Erwachsenen oder mit zwei Katzen. Aber das ist vermutlich eine Nebensächlichkeit, die andere Leser überhaupt nicht stört. Geoff Waring versteht es wie kein Zweiter ein komplexes Thema übersichtlich und kindgerecht darzustellen. Vermutlich kann auch mancher Erwachsene bei Geoff Waring noch etwas lernen. Genau so soll es auch sein! Bei Geoff Waring sind die drei L "Lesen, Lachen, Lernen" allesamt vertreten. Das Lachen ergibt sich bei ihm jedoch meist aus dem "Staunen". Das ist die Blaupause für Bilderbücher die Geschichten erzählen, die so spannend sind wie das Leben selbst!

Mittwoch, 10. Juni 2015

Wenn Kinder schon mehr wissen, als Leonardo da Vinci

Die meisten Kinder zeichnen viel und gerne. Vermutlich können sich nur Eltern an dem Gekritzel begeistern. Wenn das erste Strichmännchen entsteht, plötzlich Hände und Füße gezeichnet werden, die Figur einen Hals bekommt usw., dann springt das Herz von Mama und Papa höher. Bei Pädagogen ist das schon viel emotionsloser, sie würdigen vielleicht noch den Entwicklungsfortschritt. Das war's und das ist auch O.K. so. Heute ist mir jedoch etwas passiert, von dem ich finde, dass es nicht nur einen Platz im Familienalbum verdient hat. Mein sechsjähriger Sohn hatte sich heute morgen nach dem Frühstück in den Kopf gesetzt, der menschlichen Anatomie auf den Zahn zu fühlen. Sein fast quadratischer Robotermann hat ein Herz und eine Lunge bekommen. "Und mein Essen ist jetzt doch im Magen, oder?" "Ja, genau". Also musste auch noch Magen und Darm gezeichnet werden. Und eine Hüfte, der Opa ist da erst operiert worden, brauchte das Männchen auch noch, genauso wie eine Wirbelsäule und Rippen. Ganz ehrlich, soviel hat vermutlich nicht einmal Leonardo da Vinci in seinen jungen Jahren von der menschlichen Anatomie gewusst. Diese Neugier gilt es zu befriedigen. Deshalb schreibe ich Bilderbücher unter dem Motto: "Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst."
rot = Herz
grau = Lungenflügel
blau = Magen
hellblau = Blase
grün = After
orange = Rippenbögen
grün = Wirbelsäule

Montag, 8. Juni 2015

Giraffes Can't Dance von Giles Andreae und Guy Parker-Rees

Hammer, dieses Bilderbuch ist einfach der Hammer! Eine tollpatischige Giraffe kann einfach nicht tanzen. Jedes Jahr, wenn im Dschungel zum "Jungle Dance" geladen wird, rutscht der liebenswürdigen Giraffe, die auf den Namen Gerald hört, das Herz in die Hose. Dennoch wagt sie sich auf das Parkett und, wie könnte es anders sein, wird gnadenlos ausgepfiffen. Jetzt die spannende Wendung. Auf dem Heimweg mit hängendem Kopf, begegnet die Giraffe einer Grille. Die Musikspezialistin erklärt Gerald, dass jeder tanzen kann, wenn er nur die richtige Musik finde. Die Geräusche der Natur und das Geigenspiel der Grille sind für die Giraffe die richtige Mischung. Auf einer einsamen Lichtung rockt die Giraffe so richtig los und tanzt immer noch, als spät in der Nacht das Jungle-Dance-Festival beendet ist und sich die Tiere des Dschungels auf den Heimweg machen. Genau die Tiere, die die Giraffe zuvor verspottet haben, bleiben nun begeistert stehen und trauen ihren Augen nicht. "Gerald, how is it you can dance like that. Please Gerald tell us how", fragen und bitten die Tiere . Aber Gerald tanzt einfach weiter, bis sein Tanz beendet ist. Dann hebt er den Kopf und blickt Richtung Himmel: "Everyone can dance, if he finds the music that he loves." Jetzt kommen sentimentalen Menschen die Tränen und junge Leser sind begeistert, dass die tollpatschige Giraffe es am Ende doch noch geschafft hat.
Das Buch gehört zu den besten Bilderbüchern, die der amerikanische Bilderbuchmarkt zu bieten hat. Der wundervoll gereimte Text macht das Buch zur perfekten Vorlesegeschichte. Nach dem dritten Lesen kann man den Text auswendig. Wenn Gerald über seine langen Beine stolpert, muss man lachen. Als er zum Meistertänzer wird und den Tieren des Dschungels dennoch gefasst und großzügig gegenübertritt, muss man schmunzeln. Und von dem feinfühligen Text, lernt man eine Menge fürs Leben.
Die Illustration stammt aus der Meisterfeder von Guy Parker-Rees. 1999, als das Bilderbuch zum ersten Mal erschien, muss sie der Hammer gewesen sein. Ich würde mir heute eine modernere Version wünschen und bin auch der Meinung, dass das Buch nicht nur als Pappbilderbuch veröffentlicht werden sollte, sondern durchaus auch in einem Format, dass größere Kinder und auch die ganz großen Leser anspricht. Leider gibt es mal wieder keine deutsche Übersetzung. Diese ist überfällig. Dieses Buch muss in jedem Kinderbuchregal stehen. Dieser Satz galt 1999 und er gilt auch noch in 2015. Ein Fazit, das wahrlich besonders ist. Also Verlage, macht was draus!

Freitag, 5. Juni 2015

Maurice Sendak in der Augsburger Puppenkiste

Heute habe ich mal wieder mit meinem Sohn Augsburger Puppenkiste geschaut. Wir sind echte Fans, obwohl die Puppen echt aus dem letzten Jahrhundert sind. Heute haben wir die Folge "Nassi" aus der Blecharmee geschaut. Zugegeben, sie war unterirdisch schlecht. Nassi, vermutlich eine Anlehnung an Nessi, ist jedoch eindeutig ein Monster aus Maurice Sendaks "Wo die wilden Kerle wohnen". Hätte nie geglaubt, dass Sendaks Einfluss so weit reicht.  Ich bin begeistert.
Screenshot 1, rechtes Bild. Der Wilde Kerl in der Mitte sieht doch genauso aus wie Nassi von Screenshot 2,  oder?

Dienstag, 2. Juni 2015

Über das Mühsal einen Verlag zu finden

Gestern hat der KSC verloren. Heute bin ich dran, zumindest mit einer ganz kleinen Niederlage. Wieder hat ein Verlag die Veröffentlichung meiner Buchmanuskripte abgelehnt. Die Begründung: "Wir verlegen keine erzählenden Sachbücher." Ein anderer Verlag schreibt mir kürzlich, dass sie nur ihre eigene Sachbuchreihe weiter entwickeln möchten. Ein dritter Verlag teilte mir schon vor Wochen mit, dass er auf freche und humorvolle Bilderbücher spezialisiert ist. Deshalb: Absage!
Zunächst einmal möchte ich mich bei allen Verlagen bedanken, die entgegen meiner Erwartung sich überhaupt die Mühen machen, eine Antwort zu übersenden. Nach allem was man so liest, ist damit ja grundsätzlich erst einmal nicht zu rechnen. Das macht es aber nicht einfacher. Denn genau mit den Verlagen, die diesen guten Stil pflegen, würde man ja gerne zusammenarbeiten.
Nach jeder Absage mache ich mir noch einmal die Mühe, auf den Webseiten der Verlage vorbei zu schauen und das Verlagsprogramm vor dem Hintergrund der Absagebegründung durchzusehen. Man möchte ja schließlich dazulernen und tatsächlich verstehen, welche Schwerpunktsetzung in einem Verlag besteht und auch ergründen, warum man diese nicht selbst erkannt hat. Bisher bin ich damit aber fast immer gescheitert, denn, meiner Meinung nach, ist kein Verlagsprogramm so gut konzipiert, dass nicht Raum für Ausnahmen wäre. Das Gegenteil scheint sogar der Fall, viele Verlage haben offensichtlich eine Konzeption, leben dann aber tatsächlich von Titeln, die außerhalb der Konzeption, als Ausnahme, ins Verlagsprogramm aufgenommen worden sind. In keinem einzigen Fall ist die Selbstdarstellung des Verlags auf der Webseite so eindeutig, wie die offizielle Absagenbegründung. Vielleicht wäre das auch zu viel erwartet. Kein Verlag würde sich vermutlich auf seiner Webseite festlegen, dass er nur Bücher veröffentlicht, die in die eigenen Reihe "xy" passt. Natürlich greift vermutlich jeder Verlag zu, wenn er ein tatsächlich überzeugendes Manuskript auf dem Tisch liegen hat. Die Konzeption ist dann eher zweitrangig. Gerade weil ich das nachvollziehen kann, stelle ich mir unweigerlich die Frage, ob meine Manuskripte nicht gut genug sind. Zum Glück bleibt diese Frage aber nicht im Raum stehen. Ich selbst bin überzeugt, dass die Manuskripte besser sind als vieles, was auf dem Bilderbuchmarkt zu finden ist. Und solange mir dies bei der Fremdeinschätzung auch immer wieder bestätigt wird, bleibt mein Segel gehisst. Auch dann, wenn gerade mal wieder Flaute ist. Ach ja, wem es ähnlich geht und wer etwas Motivation brauchen kann, dem empfehle ich die Tipps von Jackie French: "How to get your first book published and other writing tips." Die Webseite von Jacke French ist auch in meinen Favoriten am Ende des Blogs hinterlegt.

Montag, 1. Juni 2015

Chamäleon von Yusuke Yonezu und Das bewegte Buch von Die Krickelkrakels

Das Relegationsspiel HSV vs. KSC geht in die zweite Halbzeit der Verlängerung. Ich tippe auf Elfmeterschießen und schreibe deshalb lieber diesen Beitrag. Es gibt Bilderbücher und Bilderbücher. Erstere überzeugen durch ihren Inhalt, letztere durch Überraschungen in Form von Türchen, Klappen, Drehelementen oder eben "Klopfen, Drehen, Pusten", d.h. Animation und Mitmach-Einladungen im umfassenden Sinne. Das bewegte Buch von Die Krickelkrakels gehört zur Gattung "Animationsbuch". Zugegeben, ich habe es nie geschafft der Geschichte eine echte Chance zu geben, was nicht gerade für das Buch spricht. Aber die Idee dem Leser das Buch von allen Seiten - im wahrsten Sinne des Wortes - zugänglich zu machen, hat mich fasziniert. Lesen ist in diesem Buch nur wichtig, weil die Worte zur Gebrauchsanleitung werden und man wie bei einer "Schnitzeljagt" durch das Buch navigiert. Bis heute erinnere ich mich gerne an diese Art des Büchermachens, ohne dass ich bisher für mich daraus Kapital schlagen konnte. Diese Idee passt einfach nicht zu meinen Konzepten. Ich werde sie aber weiter im Kopf behalten. Das Buch hingegen steht nicht in meinem Regal, weil es wirklich nur ein "Gag" ist, nichts, dass man zweimal in die Hände nimmt.
Anders ist das bei Yusuke Yonezu. In Chamäleon erzählt sie die Geschichte eines Chamäleons, dass sich immer wieder vor Feinden verstecken muss und dazu die Farbe an die Umgebung anpasst. Für diese Farbanpassung ist der Leser zuständig. Er muss eine Farbpalette so lange drehen, bis das Chamäleon "unsichtbar" wird. Geschichte und "Animation" passen hier gut zusammen und bilden eine Einheit. Schade nur, dass die "Feindgefahr-Geschichten" oft zu aufgesetzt und gestelzt sind. Aber das Ende gefällt mir gut. Das Chamäleon trifft seinen Freund. Bei Sonnenschein und Regenbogen spielen die beiden dann das "Regenbogenspiel". "Rot, Orange, Gelb, Grün, Violett, Blau, wer schneller ist, hat gewonnen." Jetzt ist man an der Farbpalette echt gefordert. Kids haben daran ihren Spass. So viel Spass sogar, dass der Pappdrehteller, auf dem die Farbpalette aufgedruckt ist, schon bald in die Knie geht. Apropos Knie, Hamburg hat gerade das 2:1 geschossen. Es sieht so aus, als ob der KSC in die Knie gezwungen ist.

Samstag, 30. Mai 2015

Wombat goes Walkabout von Michael Morpurgo und Christian Birmingham

"I dig a lot and I think a lot". Diese Aussage stammt weder von Wikileaks, noch aus der aktuellen BND-Affäre. Vielmehr handelt es sich um eine Selbstcharakterisierung von Michael Morpurgos (http://michaelmorpurgo.com/books/wombat-goes-walkabout) Wombat in dem Bilderbuch "Wombat goes Walkabout". Es handelt von einem Wombatbaby das seine Mutter verliert. Auf der Suche nach ihr trifft es auf verschiedene Tiere und einen Jungen. Sie alle können tolle Sachen: fliegen, hüpfen, rennen, jagen etc. Das Wombatbaby wird für seine "mickrigen" Fähigkeiten verspottet, bis, ja bis im Busch ein Buschbrand ausbricht, dem niemand entkommen kann. Da hat das Wombatbaby eine Idee und gräbt ein Loch - genau so, wie Wombats es in freier Wildbahn tun. Darin finden alle Tiere und der Junge Platz und gemeinsam überleben sie das Feuer. Der kleine Wombat wird zum Lebensretter und danach in die Gruppe integriert. Als Dankeschön helfen die Tiere und der Junge dem Wombat seine Mutter zu finden, was schließlich auch gelingt. Am Ende hat das Buch für alle ein Happy End. Der kleine Wombat findet nicht nur seine Mutter wieder, sondern er hat auch viele neue Freunde gefunden. Das großartige Bilderbuch eignet sich hervorragend zum Vorlesen. Es spricht den Leser auf einer emotionalen Ebene an. Aus gemeinsamen Bangen mit dem Protagonisten wird am Ende gemeinsame und überschwängliche Freude. Das Bilderbuch vermittelt Werte wie Freundschaft und Zusammenhalt und stärkt das Selbstbewusstsein. "Wombat goes Walkabout" überzeugt auch durch eine großartige Illustration mit einer für Bilderbücher eher ungewöhnlichen Pastelltechnik, die den Druck auch ein wenig zu überfordern scheint. Obwohl mir nicht bekannt ist, dass die Illustrationen als großformatige Poster verkauft werden, hätte ich schon lange gerne ein solches Poster. Jedes Kinderzimmer würde dadurch deutlich aufgewertet. Vermutlich könnte der Verlag mit Postern mehr verdienen, als mit dem einzigartigen Bilderbuch. Leider gibt es von Morpurgos Buch keine deutsche Übersetzung. Vermutlich wird es auch nie eine geben, weil das Buch "sehr australisch" ist und nicht so gefällig daherkommt, wie "Diary of a Wombat", über das ich früher schon einmal geschrieben habe.
    

Freitag, 29. Mai 2015

Nessie - The Loch Ness Monster von Richard Bassey

Jeder kennt die klassischen Zahlen- und Formenbilderbücher für Kleinkinder. Kürzlich hat meine Tochter ein "First Counting Book" aus San Francisco geschenkt bekommen. Die Zahl 1 wird symbolisiert durch die Golden Gate Bridge, die Zahl 5 durch fünf Cable Cars usw. Die Idee ist so einfach wie genial. Das perfekte Mitbringsel, für das der Tourist bereit ist, sogar noch ordentlich dafür zu bezahlen. Die Idee lässt sich auf jede beliebige Stadt übertragen. Noch eine Schippe drauf setzt jedoch Schottland. Dort hat Richard Bassey die Legende um das Monster von Loch Ness in ein Bilderbuch gepresst. Er erzählt eine Geschichte, die gleichermassen Kinder und Erwachsene anspricht. Perfekt zum Vorlesen, unterhaltsam und lustig und unglaublich lehrreich. Prädikat: sehr empfehlenswert. Auch diese Idee lässt sich ohne weiteres auf andere Städte übertragen. Voraussetzung natürlich, dass es eine erzählenswerte Legende gibt, aber welcher Ort hat die nicht? Also, Griffel spitzen und los schreiben. Viel Erfolg!
   

Donnerstag, 28. Mai 2015

Sandmännchen und Tatort

Bilderbuchautoren holen sich ja überall Anregungen. Zwei Tage ist es nun her, dass ich mit meinem Sohn das Sandmännchen geschaut habe. Für mich war es das erste Mal seit geschätzten 35 Jahren. Gut erinnere ich mich noch an die Diskussion nach der Wiedervereinigung, ob das Ost- oder das Westsandmännchen das neue bundesweite Sandmännchen werden wird. Obwohl beide Sandmännchen schon damals ordentlich betagt waren, sind nun noch einmal über 25 Jahre vergangen. Ich war ehrlich gesagt fassungslos, das Anno-dazumal-Sandstreuerchen unverändert zu sehen. Es ist ehrlich gesagt nicht mehr auszuhalten. Dringend ist eine Runderneuerung fällig. Passiert das nicht, wird das Sandmännchen schon bald ersatzlos gestrichen werden müssen, weil es für das nachrückende Publikum nicht mehr auszuhalten sein wird. Und wenn wir schon dabei sind: Auch der Tatortvorspann gehört dringend aufgepeppt. Und das bitte lieber schon morgen, als erst übermorgen. Was hat aber der Tatort mit Bilderbüchern zu tun? Das ist ganz einfach. Bei mir ist das so: Wenn der Tatort läuft, dann wird kein Bilderbuch geschrieben. Der beste Zeitpunkt, um ein neues Bilderbuch zu beginnen, ist jedoch direkt nach dem Tatort. Das Manuskript wird dann zwischen zwei Tatortsonntagen fertig gestellt. Dann liegt es acht Tatortsonntage, bis die erste Korrekturfassung erstellt wird. Dann wird es zum Korrekturlesen an eine/n Freund/in gegeben. Nachdem es zurück gekommen ist, werden Änderungen eingearbeitet. Dann liegt es für vier Tatortsonntage. Wenn es danach immer noch gefällt, dann ist Zeit für weitere Optimierungen und die Suche nach einem Verlag! Letzteres ist eine solche Ochsentour, dass einem echt die Lust vergehen könnte, wenn nicht immer mal wieder ein guter Tatort die Wartezeit verkürzt und versüsst.  

Dienstag, 26. Mai 2015

Endlich wieder zelten von Philip Waechter

Es sind Pfingstferien. Das bedeutet gleichzeitig, es ist die staureichste Zeit des Jahres. Spiegel Online empfiehlt für alle, die auf dem Weg in den Campingurlaub sind, das Buch "Endlich wieder zelten" von Philip Waechter, erschienen bei Beltz und Gelberg. 
Freunde von uns sind auch  in den Campingurlaub gefahren. Als Geschenk habe ich das Buch gekauft. Vermutlich denken viele so, denn es gibt sicherlich Millionen von Camper in Deutschland. An dieser Stelle meinen Glückwunsch an den Verlag, der vertriebstechnisch sicherlich eine goldrichtige Entscheidung getroffen hat. Für echte Camper ist nämlich nur Campingurlaub richtiger Urlaub. Diese militante Einstellung schafft Identität und Verbundenheit. Es kann davon ausgegangen werden, dass Tausende von grossen Campern das Buch nutzen werden, um ihren Kleinen das Campen näher zu bringen. Dafür wird zumindest die Vertriebspower von Beltz und Gelberg sorgen. Aber lohnt es sich wirklich das Buch zu kaufen? Für die weitere Beurteilung dieses Bilderbuchs sollen zwei Noten vergeben werden. Eine A-Note für den Inhalt, eine B-Note für die Illustration. Philip Waechter gilt als einer der angesagtesden Illustratoren in Deutschland. Über die Qualität seiner Arbeiten gibt es wenig Kontroverse. Auch das aktuelle Buch kommt gefällig und en vogue daher. Man blättert gerne durch das Buch. Das Auge hüpft nicht gerade, aber es fühlt sich äußerst umworben und wird nicht müde das Präsentierte zu betrachten. Da aber nichts geschaffen wurde, an das man sich auch in zehn Jahren noch erinnern wird, kann es leider keine 1 geben. Es gibt jedoch eine souveräne 2. Nun zum Inhalt. Das Buch beschreibt die Erlebnisse aus vielen Campingurlauben und präsentiert ein "best of". Dazu gehört der Sturm, der das Zelt wegweht, die Marmelade, die von Bienen als attraktives Ziel entdeckt wird und der Campingnachbar, der kein gutes Namensgedächtnis hat. Die Frage die sich jedoch stellt ist Folgende: Ist das gut beobachtet oder werden hier Trivialitäten präsentiert. Meiner Meinung nach letzteres. Hier wird ganz alltäglicher Campingurlaub beschrieben und einfach nur aufgelistet, was man nach 10 Jahren Campingurlaub noch in Erinnerung behalten hat. Oder anders formuliert: Nur der große Illustrator und bereits bekannte Kinderbuchtexter Philip Waechter bekommt von einem renommierten Verlag die Chance ein solches Buch zu veröffentlichen. Jeder "no-name" Autor wäre mit einem vergleichbaren Manuskript abgelehnt worden. In der A-Note gibt es deshalb eine 5 mit der Tendenz zur 6, weil dieses Buch nach dem Kauf genau ein einziges Mal gelesen wird und dann für immer im Regal verschwindet. Campen ist und bleibt jedoch ein großartiger Ferienpass. Auch dieses Buch wird daran nichts ändern!  

Freitag, 22. Mai 2015

Was ist ein Spunk? Zum 70. von Pippi Langstrumpf

Pippi feiert 70. GEBURTSTAG. Sie ist die Heldin meiner Kindheit und auch heute noch finde ich sie super und lese die Bücher meinem Sohn vor. Mein allerliebstes Pippi-Utensiel ist eine Packung "Spunk"! Hat jemand zufällig ein paar Kumuluspillen oder ein Pferd, das aussieht wie "Kleine Onkel? Bitte hier posten. Danke ;-)

1960er bis 1980er Revivals und mitternächtliche Spukzeit

Jeden Tag ein Post, das hatte ich mir eigentlich für diesen Blog vorgenommen. Gestern war es damit aber nichts. Meine Tochter hat mich fertig gemacht. Um 20 Uhr bin ich mit ihr eingeschlafen und jetzt erst wieder aufgewacht. Wieder einschlafen? Fehlanzeige. Für das kleine Gespenst von Otfried Preussler ist jetzt Zeit für "eine Stunde spuken". Im zurückliegenden Jahr war für mich in solchen Situationen Zeit, um selbst Kinderbücher zu schreiben. Ob ich dabei nur zum eigenen Zeitvertreib gespukt habe, oder ob daraus noch mehr werden kann, muss sich noch zeigen. Die Manuskriptversendung an die Verlage im deutschsprachigen Raum ist jedenfalls eine Ochsentour mit ungewissem Ausgang. Die ersten Absagen sind zwischenzeitlich da. Immer programmatisch begründet, weshalb weiterhin Hoffnung besteht. Gestern kam nun die erste Absage von einem grossen Verlag aus Ravensburg. Freundlich verfasst und kompetent und überzeugend begründet. Das schmerzt, aber damit war zu rechnen. Der Marathon ist noch nicht beendet und es ist auch noch nicht die Zeit gekommen, um sich mit Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf-Erlebnissen zu motivieren.
Was ich heute aber eigentlich sagen will: In meinen mitternächtlichen Spukstunden habe ich mich schon oft gefragt, warum die genialen Bilderbücher der 1960er bis 1980er Jahre nicht einfach mit einer gefälligeren Illustration neu aufgelegt werden. Zugespitzt formuliert: Die Bestseller der Pappmaschee und Papierschnitzelkleberzeit würden doch auch heute wieder alle Rekorde brechen, wenn man sie optisch aufgepeppt auf den Markt bringen würde. Dazu zähle ich z. B. Bücher von Eric Carle, Maurice Sendac, Leo Lionni und auch Ellen Stoll Walsh. Insgesamt würde ich mir persönlich ein Revival des großartigen Lebenswerks von Leo Lionni wünschen. Dieser Mann hat eine gesellschaftliche Position vertreten, die sich in seinen Büchern wiedergespiegelt hat. In unserer Zeit steht mir die Lust am Lesen und Lachen zu sehr im Vordergrund bei der Bilderbuchproduktion. Ich wünsche mir eine stärkere Betonung des Lernens und zwar auf zwei Ebenen: der Ebene der klassischen Wissensvermittlung und der Ebene des moralischen Kompasses. Warum traut sich kein Verlag an die Bilderbuchklassiker ran und veröffentlicht sie mit neuen Illustrationen und/oder auch der einen oder anderen textlichen Anpassung? Gibt es dafür handfeste Gründe, die ich nicht sehe?

Mittwoch, 20. Mai 2015

Bilderbücher über Klimawandel und Flüchtlinge Fehlanzeige

Gegenwärtig dominieren zwei große Themen die Medien: Klimawandel und Flüchtlinge. Beide haben gemeinsam, dass die Politik nur an den  Symptomen herumdoktert, anstatt die waren Ursachen zu bekämpfen. Die Erwärmung der Erde kann man nicht aufhalten, indem Hilfefonds aufgestockt werden und die Ursachen von Flucht beseitigt man nicht, indem man Schlepper bekämpft. Beides ist wichtig, aber nicht der Kern des Problems. In den vergangene  Tagen habe ich aufgezeigt, welche Wirkungsmacht Bilderbücher bei der Schulung des Kausalitätsverständnisses haben. Dieser Blog dient nicht nur dazu, um über hervorragende Bilderbücher zu informieren, sondern er möchte auch über blinde Flecken auf dem Bilderbuchmarkt hinweisen. Es braucht dringend gute Bilderbücher zum Thema Klimawandel und Flüchtlinge. Illustratoren und Autoren, spitzt die Bleistifte!

Littel Red Train To The Rescue von Benedict Blathwayt

Der kleine rote Zug fährt mit seinem Lokführer in ein kleines Dorf in den Bergen. Fahrplanmäßig läuft jedoch nichts an diesem Tag. Die eine Notfallsituation jagt die nächste. Eine Überschwemmung, ausgebüchste Tiere, eine Lawine, eingefrorene Weichen, usw. behindern die Fahrt beträchtlich. Aber der kleine rote Zug lässt sich nicht von seinem Ziel abbringen. Auf dem Weg dorthin werden unterwegs alle Probleme gelöst. Auch wenn an diesem Tag alles schiefgeht, ist Zug fahren einfach schön, so schön, dass der Lokführer sogar nachts von der Fahrt träumt.
Ein Fahrplan ist das Paradebeispiel für von Menschenhand geplante Genauigkeit. Pünktlichkeit wird nur erreicht, wenn alles passt und keine Notsituationen eintreten. Jede Verspätung an einer Stelle führt oft zwangsläufig zu einer Verspätung an der nächsten Stelle. Dieses Buch zeigt, dass außergewöhnliche Situationn Ursache für so manche Verspätung sein kann und die reguläre Kausalkette verändert. Es zeigt aber auch, und das immer mit einem amüsanten Chuffity-Chuff, dass das Ziel auch dann noch erreicht werden kann, wenn unterwegs alles schief geht. "To The Rescue" ist ein solides Bilderbuch. Der kleine rote Zug ist ein Sympathieträger. Man begleitet ihn gerne auf seiner Fahrt. Bei diesem Bilderbuch handelt es sich jedoch nicht um ein "must have book", weshalb es vermutlich auch nie eine deutsche Übersetzung geben wird.      

Dienstag, 19. Mai 2015

The day Louis got eaten von John Fardell

John Fardell verknüpft in seinem Bilderbuch "The day Louis got eaten" zwei Grundmotive: Erstens, der Stärkere gewinnt und zweitens, das Kleine passt ins Große. Beides hat kausale Dimensionen und ist von gesetzähnlichem Charakter. Zur Geschichte: Louis ist mit seiner Schwester unterwegs. Plötzlich wird er von einem Ungetüm gefressen. Die Schwester will ihn befreien, aber ein zweites, viel größeres und stärkeres Ungetüm frisst das Erste auf, usw. Am Ende steckt Louis gleich in fünf Ungetümen, als seine Schwester endlich eine Chance bekommt ihn zu befreien. Das einfache Vorlesebuch erreicht dort seinen Höhepunkt, wo der Leser in einer Art Draufsicht und mit Röntgenblick die Möglichkeit bekommt, einen Blick in die Mägen der Monster zu werfen. Diese Szene ist urkomisch, weil so besonders ungewöhnlich. Ob dieses Anblicks ist man mächtig amüsiert, natürlich insbesondere auch, weil man sieht, dass es Louis gut geht. Nun gibt es nur einen Weg raus aus den Monstern. Zuerst muss dafür gesorgt werden, dass jedes Ungetüm das von ihm gefressene ausspukt. Louis kann schließlich sein Ungetüm nur verlassen, wenn dieses selbst nicht mehr in einem anderen Ungetüm steckt. Dies gelingt durch die tatkräftige Mithilfe eines Frosches, der einen Schluckaufstaffel auslöst, in deren Folge jedes Ungetüm ausspuckt, was es gefressen hat. Auch die Schluckaufidee ist genial und bringt die Leser zum Lachen. Leider ist das Ende des Buches missraten. Alle Ungetüme haben nun so Hunger, dass sie die große Schwester von Louis fressen wollen. Das ist schlecht motiviert. Man fragt sich, warum sich das große Ungetüm nicht einfach wieder die Kleinen einverleibt. Aber es wird noch schlimmer. Alle Ungetüme werden schließlich vom kleinen Louis vertrieben, der ruft: "Get away from my sister or I'll eat you up." Bis heute leuchtet mir nicht ein, warum das den Ungetümen Angst machen soll. Eine findige List hätte mich an dieser Stelle mehr überzeugt. Das einzig positive, was man dem gewählten Ende abgewinnen kann, ist die damit transportierte Moral, dass das Gesetz "der Stärkere gewinnt", durchaus auch ausgehebelt werden kann. Aufgrund des logischen Bruchs in der Erzählung kann man damit im richtigen Leben aber wenig anfangen. Die dargelegte Strategie würde nämlich nie zum Erfolg führen. Gut vermittelt wird jedoch der kausale Zusammenhang des Monsterverschluckens. Hier gibt es Gesetzmäßigkeiten, die einzuhalten sind. Auch dann, wenn man den eigenen Bruder wieder befreien möchte. Das ist der eigentliche Wert dieses Buches, der es auch zum Sachbuch macht. An dieser Stelle noch ein kleiner Exkurs: Für mich ist Maurice Sendak der Vater aller modernen Monster in Bilderbüchern. Das sympathischste aller Monster hat hingegen Alex Scheffler mit dem Gruffelo geschaffen. Sowohl beim Gruffelo als auch bei "Where the wild things are" werden die Monster überlistet. Bei Sendak mit dem "magischen Trick", bei Scheffler und Donaldson durch die genialste Finte, die es überhaupt in einem Bilderbuch gibt. Jedes neue Monster das gezeichnet wird, steht irgendwie in der Tradition der Sendak- und Scheffler-Monster. Nicht nur Illustratoren sollten sich dort inspirieren lassen, sondern auch Autoren. Monster trickst man aus!        

Sonntag, 17. Mai 2015

The Gingerbread Bunny von Jonathan Allen

Beim Gingerbread Bunny handelt es sich um eine Adaption des Märchens "Vom dicken fetten Pfannkuchen". Beide Bücher behandeln implizit das Thema Kausalität im Sinne von "etwas auslösen, das beträchtliche Folgen hat". Sowohl der fliehende Pfannkuchen als auch der fliehende Lebkuchenhase lösen aus, dass sie verfolgt werden, mit dem Ziel sie einzufangen. Während es dem Pfannkuchen gelingt seine Verfolger abzuschütteln, diese aber immer wieder in Form einer Aufzählung in Erinnerung gerufen werden, wird der Lebkuchenhase von einer sich stetig vergrößernden Verfolgerschar getrieben. In beiden Fällen mündet dies in eine actionreiche Verfolgung, was beim Lesen für viele Lacher sorgt. Die Moral der Bücher unterscheidet sich. Der Pfannkuchen opfert sich selbstlos für hungrige Kinder, der überhebliche Lebkuchenhase wird schließlich vom schlauen Fuchs überlistet. Mitmenschlichkeit lernt man deshalb im einen Buch, das andere warnt vor einem zu großspurigen Auftreten und empfiehlt eine genaue Überprüfung seiner Handlungsoptionen. Beide Geschichten haben einen deutlich fiktiven Inhalt. Dennoch ist auch der Sachbezug deutlich: Kausalität, Sachinformationen über die Verfolger und der Anspruch eine Moral oder ethisches Wissen zu vermitteln, sind beiden Werken immanent. Auch hier stellt sich für mich die Frage, ob die Einteilung von Bilderbücher in fiktive Bücher und Sachbücher wirklich sinnvoll ist?

Samstag, 16. Mai 2015

Tiddler - The story telling fish von Julia Donaldson

Sprache bildet Wirklichkeit nicht nur ab, sondern stellt sie auch her. Für diese Überlegung sind Poststrukturalisten in der Wissenschaft bekannt. Mit dieser Aussage grenzen sie sich von jenen Sozialwissenschaftlern ab, die davon ausgehen, dass es im menschlichen Miteinander Gesetzmäßigkeiten gibt. Wie man sich das vorstellen kann, zeigt das Bilderbuch "Tiddler - The story telling fish", auf deutsch erschienen unter dem Titel "Der Flunkerfisch". Ich beziehe mich hier jedoch auf das englische Original, weil es eine viel stärkere Aussage hat, als die nicht in allen Teilen gut gelungene Übersetzung. Dies ist schon am deutschen Titel "Der Flunkerfisch" zu erkennen, der unterstellt, dass der Protagonist, ein kleiner Fisch, nicht die Wahrheit sagt. Ob Wahrheit oder nicht, bleibt im englischen Original von Julia Donaldson und Axel Scheffler bis zum Schluss offen. Dabei handelt es sich um ein sehr wichtiges Detail. Darauf komme ich später noch einmal zurück. Zunächst zum Inhalt. Tiddler ist ein kleiner Fisch, der immer zu spät in die Schule kommt und jeden Tag eine neue Ausrede für sein Zuspätkommen vorbringt. Einmal war er mit dem Delfin Luftsprünge mache, dann war er in einer Schatztruhe gefangen und musste von einer Meerjungfrau gerettet werden, das andere Mal musste ihn eine Schildkröte aus den Fängen eines Kraken befreien, damit er zur Schule kommen konnte. Natürlich glaubt niemand diese Geschichten, bis auf Little Johnny Dory, der sie zu Hause immer seiner Großmutter weiter erzählt. Eines Tages erdenkt Tiddler sich wieder eine Geschichte. Das ist die einzige Stelle im Buch, die vermuten lässt, dass die Geschichten tatsächlich nicht erlebt werden. Sie ist jedoch nicht aussagekräftig genug, um die bereits erwähnte Geschichten allesamt zu negieren. Jedenfalls erlebt Tiddler gedanklich auf dem Schulweg eine Geschichte, die ihn unachtsam sein und in ein Fischernetz schwimmen lässt. Nun beginnt eine Geschichte, an deren Wahrheitsgehalt überhaupt kein Zweifel besteht. Schließlich erleben sie alle Leser und Zuhörer, das Buch ist aufgrund seiner Reimform ein hervorragendes Vorlesebuch, hautnah mit und werden damit zu Zeugen. Tiddler wird also gefangen, aber auch gleich wieder frei gelassen, weil er zu klein und unbedeutend für die Fischer ist. Dumm ist nur, dass Tiddler entfernt von der Fangstelle ins Wasser geworfen wird. Er ist nun weit weg von zu Hause und kennt den Weg zurück nicht. Tiddler hört jedoch, wie sich ein Schwarm Sardellen über seine Geschichten unterhält. Kurzerhand erkundigt er sich, woher die Sardellen die Geschichten kennen. Der Schwarm führt ihn zu einem Shrimp, der Shrimp zum Wal und so weiter. "Tiddler is tracking down his story." Mit jeder Befragung kommt er näher nach Hause, bis er schließlich bei der Großmutter von Little Johnny Dory, und dann auch in der Schule, ankommt. Schließlich ist er wieder zu Hause. Ohne seine Geschichten wäre das nicht möglich gewesen und egal ob die Geschichten zuvor erfunden waren oder nicht, nur durch ihre Existenz hat er die Möglichkeit die größte seiner Geschichten zu erleben und dann auch in der Schule zu erzählen. Es besteht kein Zweifel, dass alle seine Ausreden draußen im grossen Meer existent waren und somit ein Teil realer Wirklichkeit. Wie es dazu gekommen ist, findet Tiddler selbst heraus, indem er die Geschichten bis zu ihrem Ursprung zurück verfolgt. Ruckzuck befinden wir uns mitten drin in erkenntnistheoretischen Fragestellungen. Wahnsinn, was Bilderbücher alles leisten. Auch wenn dieses Buch, vermutlich aufgrund der weniger gefälligen Illustration des Hauptdarstellers - es ist eben kein Gruffelo, der sich perfekt als Merchandisingprodukt eignet - nicht die Reichweite erreicht hat, die es verdient, so gehört dieses Buch dennoch in jedes Kinderzimmer und eigentlich auch in viele Erstsemesterseminare an der Uni. Und jetzt würde ich wirklich mal gerne wissen, warum es sich hier um ein klassisch fiktives Bilderbuch handeln soll? Das ist doch ein Sachbuch erster Güte, oder nicht?
      

Freitag, 15. Mai 2015

Monkey Puzzle von Julia Donaldson

Im Jahr 2000 haben Julia Donaldson und Axel Scheffler "Monkey Puzzle" veröffentlicht, das 2006 unter dem Titel "Wo ist Mami" bei Beltz & Gelberg erschienen ist. Die Geschichte folgt ziemlich genau dem Erzählmuster des gestern vorgestellten Buches "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat". Es gibt jedoch einen grundsätzlichen Unterschied. Während der Maulwurf alleine loszieht, um den Verursacher seines Problems zu finden, vertraut sich der kleine Affe bei Donaldson und Scheffler einem Schmetterling an. Der Suchauftrag wird somit delegiert. Dieser Kniff eröffnet dem Bilderbuch, das in seiner gereimten Form hervorragend zum Vorlesen geeignet ist, eine zusätzliche Dimension. Die Detektivgeschichte ("Wir suchen und finden Deine Mama") wird nämlich um ein Verständigungsproblem (Wie, deine Mama sieht aus wie du, bei meinen Kindern ist das nicht so) angereichert. Diese wird so gut entwickelt, dass sich eine Verwechslungsgeschiche ergibt, die Kinder zum Lachen bringt und gleichzeitig an der vermeintlichen "Dummheit" des Schmetterlings verzweifeln lässt. Wie sich erst sehr spät herausstellt ist der Schmetterling nicht dumm, sondern bei der Suche nach der Affenmama einfach auf dem Holzweg. Er begeht zwei Fehler: Erstens, hört er nie richtig zu, wenn das Affenbaby seine Mama beschreibt, wobei die Beschreibung auch immer implizit davon ausgeht, dass der Schmetterling natürlich weiss, dass eine Affenmama so ähnlich aussieht wie ihr Kind. Zweitens geht er von falschen Voraussetzungen aus, weil er überzeugt ist, dass die Affenmama auf keinen Fall aussehen kann wie das Affenbaby, schließlich sehen seine Schmetterlingslarven auch überhaupt nicht wie ein Schmetterling aus. Diese falsche Annahme macht die Suche nach der Affenmama zu einem Fiasko. Die falsche Annahme ist ursächlich dafür, dass die Detektivgeschichte über lange Zeit kein gutes Ende findet, weil immer den falschen Spuren gefolgt wird. Der Schmetterling sucht zwar nach der Affenmama, findet sie aber aufgrund seiner sich vom Affenbaby unterscheidenden Weltanschauung nicht, was die Familienzusammenführung verhindert. Erst als das Problem der unterschiedlichen "Weltbilder" erkannt und mittels Kommunikation angeglichen wird, verläuft die Suche "fast" erfolgreich. Der Schmetterling bringt das Affenbaby zwar nicht zu seiner Mama, aber immerhin zu seinem Papa, der schließlich weiss, wo die Mama ist und die Verbindung herstellen kann. Pädagogisch erfüllt das Bilderbuch damit drei Ziele:
1. Auf der Suche nach der Affenmama werden dem Leser die Tiere des Dschungels sowie ihre wesentlichen Charakteristika vorgestellt.
2. Das Bilderbuch lehrt, dass das Problem des Affenbabys erst gelöst wird, wenn die Ursache für das Problem beseitigt ist. Dazu kann nicht ein beliebiges Tier gefunden werden sondern es muss ein ganz besonderes, nämlich die Mutter, ausfindig gemacht werden.
3. Um erfolgreich zu sein, müssen Teammitglieder von identischen Voraussetzungen ausgehen. Liegen unterschiedliche Definitionen vor, dann wird das eigentliche Ziel, die erfolgreiche Suche nach der Affenmama, nach dem Affenbaby und Schmetterling unbestritten streben, verfehlt.
Das Bilderbuch von Donaldson und Scheffler hat sicherlich nicht ganz die Qualität von "The Gruffalo und Tiddler - The Story Telling Fish", aber es besteht kein Zweifel, dass es sich um ein ganz besonderes Kinderbuch handelt, dem man unbedingt seine Aufmerksamkeit schenken sollte.

Donnerstag, 14. Mai 2015

Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat von Werner Holzwarth

Heute, am Vatertag, waren die Männer mal wieder besoffen. Am Abend haben dann die Fussballfrauen aus Frankfurt die Champions League gewonnen. Ergo: Wenn Männer zu viel trinken, sind Frauen sportlich erfolgreich. Obwohl ich noch nie verstanden habe, warum sich Männer am Vatertag die Kanne geben, habe ich diese Einleitung nicht geschrieben, um den moralischen Zeigefinger zu heben. An dieser Stelle geht es mir einzig und allein um das Problem des wissenschaftlichen Fehlschlusses. Er ist das Ergebnis einer fehlerhaften oder nicht vorhandenen Ursache-Wirkungskette. Kinder können deshalb nicht früh genug die Grundlagen von Kausalität erlernen. Umso wichtiger ist es deshalb, dass schon in Bilderbüchern kausale Beziehungen thematisiert werden. Dies gilt auch für den Bilderbuchwelterfolg "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat", erschienen im Peter Hammer-Verlag. Das Buch, dass auch für Erstleser geeignet ist, thematisiert eine heikle Angelegenheit. Richtig, ich spreche von der Konsistenz und Herkunft von Exkrementen. Schon allein der Begriff führt oftmals bei Erwachsenen zu einer peinlichen Berührtheit und bei Kindern zu grösster Heiterkeit. Reichen diese beiden Dinge aber für einen Weltbestseller? Möglicherweise! Meineserachtens ist dieses Buch jedoch zum Absatzriesen geworden, weil es durchaus auch inhaltlich etwas zu bieten hat, nämlich eine kleine Lehre der Kausalität. Dem kleinen Maulwurf hat jemand auf den Kopf Gekackt. Wäre er nur ein wenig mehr von aufbrausendem Charakter, dann hätte er sich einfach das nächste Tier in seiner Umgebung vorgeknüpft und zurückgeschissen. Aber nein, der Maulwurf ist besonnen genug, um mit detektivischem Gespür der Wahrheit auf den Grund zu gehen und die wahre Ursache für sein Problem zu finden. Dieses Buch vermittelt eben nicht nur das kleine Einmaleins der Exkremente, sondern leistet einen wichtigen Beitrag zum Erlernen von kausalen Zusammenhängen. Erst als der Maulwurf die Ursache seines Problems gefunden hat, wird er nämlich Handlungsfähig im Hinblick auf seine Rachegelüste. Auch wenn es sich um ein niederes Motiv handelt, so wird doch deutlich, dass niemand auf die Errungenschaften der Aufklärung verzichten kann. Der Maulwurf wird erst dann zum Wissenden, nachdem er die Zusammenhänge erfasst hat. Seine Rache wird erst möglich, nachdem er rational gehandelt hat. Das macht auch aus einem Buch über Exkremente, ein Buch in dem man so richtig fürs Leben lernen kann.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Am 13. Mai habe ich meinen 13 Post veröffentlicht. Gut, dass 13 keine Schnapszahl ist, sonst müsste ich nun blechen ;-)

Petterson und Findus - Eine Geburtstagstorte für die Katze von Sven Nordqvist

Die Wissenschaft investiert viel Zeit und Geld, um die Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge in ganz verschiedenen Kontexten zu erforschen. Auf diesem Wissen basiert der Erfolg der Industriegesellschaft. Ursache und Wirkung sind ganz wesentliche Größen des rational denkenden Menschen. Sie sind Grundlage von komplexen Produktionsprozessen, aber auch des ganz normalen Alltags. In der Regel sind Ursache- und Wirkungszusammenhänge so selbstverständlich, dass wir sie nicht hinterfragen. Sie fallen uns jedoch dann auf, wenn wir gerade nicht erklären können, was eine bestimmte Wirkung verursacht hat oder wenn wir eine bestimmte Wirkung erzielen wollen, aber die Voraussetzungen dafür fehlen. Um letzteren Fall geht es in dem großartigen Vorlesebuch "Petterson und Findus - Eine Geburtstagstorte für die Katze", dem Erstlingswerk einer hervorragenden Bilderbuchreihe von Sven Nordqvist. Alles beginnt ganz harmlos. Findus hat Geburtstag und wünscht sich von Petterson eine Pfannkuchentorte. Bei der Zubereitung bemerkt der Alte, dass kein Mehl mehr da ist. Damit beginnt eines der großartigsten Verkettungspiele, die der Bilderbuchmarkt kennt und die sich der Oetinger-Verlag gesichert hat. Petterson will Mehl kaufen, kommt aber nicht ins Dorf, weil sein Fahrrad einen Platten hat. Eine Reparatur ist nicht möglich, weil das Werkzeug im Schuppen und die Tür verriegelt ist. Der Schlüssel fehlt und wird schließlich im Brunnen gefunden. Um ihn zu bergen braucht es eine Angelrute, die auf dem Dachboden liegt. Dort kommt man nur mit einer Leiter hin, die aber leider auf der Stierkoppel steht. Wer die Leiter will, muss erst einmal den Stier ablenken. Diese Rolle kommt Findus zu. In diesem herausragend illustrierten Kinderbuch geht es spannend und überraschend zur Sache. Das Beste ist jedoch ein Erzählstrang, der sich in zwei Richtungen entwickelt. Je komplizierter die Geschichte wird und je mehr Verwirrungen es gibt, was beim Leser schon für viele Lacher und beste Unterhaltung sorgt, desto länger wird die unglückliche kausale Kette, die die beiden Protagonisten immer weiter von ihrem eigentliche  Ziel, der Pfannkuchentorte, entfernt. Dies gipfelt in dem Hinweis des Alten an Findus: " Wenn du den Stier nicht ablenkst, dann komme ich nicht an die Leiter, nicht an die Angel, nicht an den Schlüssel, ich kann die Tür zum Schuppen nicht öffnen und auch nicht das Fahrrad reparieren und dann kann ich auch kein Mehl für deine Geburtstagstorte besorgen." Bang, das hat gesessen. Jetzt ist klar, wie die Zusammenhänge sind und wie sie aufgelöst werden können. Natürlich gibt Findus den Stierkämpfer, denn der Appetit auf die Pfannkuchentorte ist einfach zu groß. Gesagt, getan. Der Stier wird abgelenkt und die kausale Verkettung wird aufgelöst. Schritt für Schritt wird sie langsam aber sicher abgearbeitet. Am Ende ist das Fahrrad repariert, das Mehl gekauft und die Pfannkuchentorte gebacken. Die großartige Geschichte, die zunächst vorwärts entwickelt wurde, um schließlich rückwärts abgearbeitet zu werden, ist von Erfolg gekrönt. Es benötigt kein Wunder für die gewünschte Geburtstagsfeier. Die Moral von der Geschicht: Fleiß, Geduld und die Abarbeitung der erforderlichen Zwischenschritte reichen vollkommen, um die gewünschte Wirkung zu erreichen. Auch die moderne Wissenschaft macht es sich zur Aufgabe lückenlose Ursache und Wirkungsbeziehungen darzustellen. Die Sozialwissenschaft verwendet dafür die Methode des Process Tracing. Im Endeffekt ist das nichts anderes, als was Sven Nordqvist in seinem Werk von 1984 vorführt. Übrigens das brillanteste der gesamten Petterson und Findus-Reihe.
  

Dienstag, 12. Mai 2015

Das Auto hier heisst Ferdinand von Janosch

Der 1. FC Bayern München verliert 3:2 gegen Barcelona und ist damit ausgeschieden, weil das Hinspiel 0:3 verloren wurde. Das leuchtet jedem ein. Es ist das kleine Einmaleins der Kausalität. Kausalität beschreibt, dass ein Zustand B die Folge eines Zustands A ist. Diese abstrakte Beschreibung ist wenig anschaulich, weshalb sie nicht geeignet ist, um Kindern Kausalität zu erklären. Bereits gestern habe ich ein Bilderbuch vorgestellt, in dem Kausalität eine wichtige Rolle spielt. In den nächsten Tagen möchte ich weitere Bilderbücher vorstellen die Kindern die Grundlage des rationalen Denkens beibringen. Ich bin selbst überrascht, wie viele Bilderbücher sich diesem Thema widmen. Vermutlich ist dies eine Spätfolge der Aufklärung. Der vernunftbegabte Mensch glaubt zwar immer noch viel zu viel an Wunder, aber es ist schon deutlich besser geworden.
Heute starte ich also mit einem Klassiker der Kausalitätsbeschreibung, nämlich mit Janoschs "Das Auto hier heisst Ferdinand". Obwohl die Illustrationen nicht mehr zeitgemäß sind und mir der Schluss noch nie gefallen hat - bis heute verstehe ich nicht, warum es diese Pferdeszene zum Abgang braucht, etwa weil eine Pferdestärke ausreicht, um das Problem zu beheben, das hunderte verursacht haben? - gehört dieses Buch in jedes Bücherregal. Es handelt sich um eine tolle Vorlesegeschichte, die spannend erzählt wird und etliche Überraschungen zu bieten hat. Mit jedem Mal, wo die Helferfahrzeugschlange länger wird, blickt man sich amüsiert und erstaunt an und versucht sich auszumalen, was wohl als nächstes passiert. Aber weder das Taxi, noch Taxi und Postfahrzeug, noch Taxi, Postfahrzeug und Feuerwehr vermögen es, Ferdinand in seinem gelben Auto auf den gewünschten Berg zu schieben. Dazu braucht es schon die Hilfe von Bauer Nolte mit seinem Traktor. Das nenne ich dann tatsächlich mal eine anschauliche Helferkette, die Kausalität sichtbar und im Bilderbuch nachvollziehbar, ja geradezu erlebbar, macht. Ferdinand wird nicht auf wundersame Weise geholfen, sondern durch eine tatkräftige Unterstützerschaft. Der dann folgende Absturz von der Bergklippe ist nicht das Ergebnis von Unerklärbarem, sondern von einer freundlich gemeinten, aber unheilvollen Allianz, die auch noch am Berg sichtbar ist, als Ferdinand schon fällt. Eindrücklicher geht es nicht! Deshalb ist dieses Buch aus dem Jahre 1964 ein muss für jedes Kinderbuchregal. Es legt den Grundstein, um später das Ausscheiden seiner Lieblingsmannschaft aus der Champions League erklären zu können.
   

Montag, 11. Mai 2015

Froggy Gets Dressed von Jonathan London and Frank Remkiewicz

Froggy ist der Held der gleichnamigen Bilderbuchserie. Froggy Gets Dressed erschien erstmals 1992 bei Penguin Books in den USA. Mein Sohn hat diese Bücher im Alter von drei bis fünf Jahren geliebt. In Froggy Gets Dressed wacht ein Babyfrosch im kalten Winter auf. Eigentlich sollte er Winterschlaf machen. Natürlich möchte er raus in den Schnee zum Spielen. Seine Mutter ist alles andere als begeistert. Sie versucht ihn zu überreden, dass er wieder zurück ins Bett geht. Als das nicht funktioniert, beginnt ein kurioser Schlagabtausch, der - immer nach dem gleichen Muster - in etwas so funktioniert:
Mama: "Froogggy"
Froggy: "Whaaaat?"
Mama: "You forgot to pull on your ..."
Richtig erkannt, der kleine Frosch zieht sich richtig dick an, so wie man es im Winter eben macht und stapft in den Schnee. Dumm nur, dass er immer etwas vergisst. Anfangs Kleinigkeiten, aber am Ende stellt sich heraus, dass er nicht einmal seine "Long Johns" trägt. Das geht natürlich gar nicht. Froggy stürzt also immer wieder zurück ins Haus, um den Fehler zu beheben. Das passiert ebenfalls nach dem stets gleichen Muster. Wie eine Zwiebel schält sich Froggy immer von außen nach innen. Dabei lernen Kinder zweierlei: Einmal, dass ausziehen etwas mit Kausalität zu tun hat, denn den Pullover kann man nicht ohne die Jacke ausziehen. Sie lernen aber auch, wie man Mütze, Handschuhe, Hose etc. ausziehen sagt, denn in diesem Sprachlernbuch werden diese Begriffe gefühlte tausendmal wiederholt. Am Ende gibt es dann die große unerwartete Wendung. Nachdem Froggy wirklich alles bereitliegen hat, was er anziehen muss, ist er beim Anziehen so müde, dass er einfach einschläft. Freiwillig legt er sich zurück ins Bett, so dass auch Mama beruhigt den Kopf wieder zum Winterschlaf zurücklegen kann.

Das großartige Vorlesebuch ist leider nicht in deutscher Sprache erhältlich. Ab und zu findet man es jedoch als Englischlektüre an der Schule. Selten habe ich beim Vorlesen so viel Spass gehabt, wie bei diesem Buch. Die kuriose Entwicklung der Geschichte und die Möglichkeiten der sprachlichen Intonation beim Vorlesen sorgen beim Vorleser und beim Zuhörer für zahlreiche amüsante Momente. Und natürlich gibt es auch was zu lernen. Nicht nur, dass man die Unterwäsche immer als erstes anziehen sollte, sondern auch dass Ausdauer eine ganz wichtige Eigenschaft ist. Natürlich lehrt dieses Buch auch, dass man niemals den Humor verlieren sollte. Alle Bücher der Froggy-Serie sind lesenswert, aber Froggy Gets Dressed ist was Lesespass, Humor und Lerneffekt angeht, unerreicht und überfällig für eine deutsche Übersetzung!

Sonntag, 10. Mai 2015

Lurchis Abenteuer

Heute erklärt mir mein Sohn, dass er eine DVD schauen möchte. Gut dachte ich, es ist Sonntag, da ist mal wieder Zeit für Michel aus Lönneberga. Aber falsch gedacht, denn der Junior hat von Opa "Legenden von Chima" geschickt bekommen. Da Papa ja kein Spielverderber ist, stimmt er zu, guckt aber auch mit, denn so richtig traut er dem Frieden nicht. Der Animationsfilm hatte Blockbuster-Niveau. Beim mitgucken ist mir so richtig ein Licht aufgegangen. Chima-Magazin zum Anfixen. Chima-DVD-Blockbusterqualität um alle Facetten der Legowelt aufzuzeigen und auch noch die letzte Spielfigur darzustellen, damit die Kleinen gleich nach Filmende sagen: "Papa, den Gorzan möchte ich aber auch noch." Obwohl ich diese Entwicklung bedaure, muss ich anerkennend sagen, Hut ab Lego. Hier wird für eine eigens entwickelte und unglaublich vielschichtige Lego-Märchen-Welt die perfekte Vernetzung von Film, Magazin und Spielzeug praktiziert. Da bleibt einem die Spucke weg. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat, kam mir folgendes in den Sinn. Der Ursprung für all diese vernetzten Ideen sind vermutlich Bilderbücher! Ganz konkret die Bilderbücher von Lurchis Abenteuer, die wir früher beim Schuhhändler als Geschenk bekommen haben. Die Idee ist also schon ziemlich alt. Eigentlich ist es sogar unglaublich, dass es so lange gedauert hat, bis diese geniale Idee den Weg in die Marketingabteilungen der Spielzeughersteller gefunden hat ;-)
Ach ja, und zum Schluss noch einen nachträglichen Glückwunsch an die Schlauköpfe von Salamander!

Samstag, 9. Mai 2015

Swimmy von Leo Lionni und Elmer and the Big Bird von David McKee

Ein letztes Mal noch zum Bahnstreik, dann ist dieses Thema erledigt. Schuldig für den Bahnstreik ist, so die öffentliche Meinung, der GDL-Chef Claus Weselsky. Niemand weiss so gut wie das Bilderbuch, dass jede Zeit bestimmten Trends unterliegt. Das Bilderbuch war schon immer Abbild der Gesellschaft, es war aber auch Impulsgeber für diese. Vgl. hierzu vor allem die Bilderbücher von Wilhelm Busch oder Heinrich Hoffmann. 1963 ist eines der bis heute einflussreichsten zeitgenössischen Bilderbücher erschienen. Leo Lionni beeinflusst mit Swimmy das Gerechtigkeitsgefühl von nun schon drei Kindergenerationen. Das Werk hat jedoch einen deutlich gesellschaftskritischen Anstrich. Es thematisiert eindeutig die Unterdrückung der Schwachen durch die Starken oder Mächtigen. Der böse Thunfisch ist dabei kein Einzelfall, sondern Teil des Systems. Die kleinen Fische des Meeres müssen sich deshalb dauerhaft organisieren, wenn sie den vielen Thunfischen im Meer ebenbürtig sein wollen. In den 1960er und 1970er Jahren war es en vogue die Systemfrage zu stellen. Diese Diskussion spielt über 50 Jahre später fast keine Rolle mehr, oder zumindest nur noch eine sehr untergeordnete. Mit Elmer and the Big Bird hat David McKee die Geschichte von Leo Lionni in die stark durch Individualisierung gekennzeichnete Gegenwart überführt. Selten ist mir eine so orginalgetreue Kopie in neuem Kleid untergekommen. Aber, es gibt eben doch auch gravierende Unterschiede. Der große Vogel - the bully bird - der ein echter Rabauke ist, hat keine Systemrelevanz mehr. Ihm mangelt es einfach an guter Erziehung, an Anstand und an Benimm. Dieser Quälgeist erlaubt es sich die Harmonie der Vögel, und damit der Freunde von Elmer, zu zerstören. Das kann der buntkarierte Elefant natürlich nicht auf sich sitzen lassen und eilt seinen Freunden in Musketieremanier zu Hilfe. Aber selbst das historische "einer für alle und alle für einen" spielt in McKees Buch nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr hilft man zusammen, damit der gewohnte Alltag wieder seinen gewohnten Gang gehen kann. Für McKee stellt sich die Systemfrage nicht mehr. In seiner Welt gibt es nur gute und schlechte Tiere. Der Bully Bird gehört natürlich zu den letzteren und deshalb gehören ihm die Grenzen aufgezeigt. Genau das passiert dann auch. Punktum, mehr will das Buch überhaupt nicht vermitteln. Damit ist im Bilderbuch festgehalten, was ein bekannter Präsident einmal so formuliert hat: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns." So könnte man es zuspitzen. Im Bilderbuch klingt es unterschwellig so: "Der Bully Bird ist und bleibt ein Bully Bird." Und genau an dieser Stelle unterscheiden sich dann auch Bilderbuch und Realität. Was dort so schön eindimensional und richtig ist, verliert in der Realität schnell seine Bedeutung. Außer man möchte in gar keinen anderen Kategorien denken als in "Wilbur-Kategorien".

Freitag, 8. Mai 2015

Diary of a Wombat, Jackie French and Bruce Whatley

Die Lokführer streiken, Deutschland steht still. Wer trägt die Schuld? Die öffentliche Meinung dazu ist gebildet. Ein Perspektivwechsel ist nicht in Sicht. Warum auch? Dass Perspektivwechsel manchmal ganz erhellend sein können, zeigen Jackie French und Bruce Whatley in einem der besten Bilderbücher die Down Under zu bieten hat. Leider gibt es mal wieder keine deutsche Übersetzung. Echt schade. Wenn sich jemand mit dem Handel von Lizenzrechten auskennt, bitte melden. Ich biete mich als Geschäftspartner an und übernehme auch gleich die Übersetzung. Nun aber zurück zum Inhalt. Das australische Bilderbuch handelt von einem Wombat, der eine Menschenfamilie als Nachbar bekommt. Jetzt ist für den Wombat Schluss mit lustig, könnte man meinen. Aber weit gefehlt. Vielmehr erleben die Menschen mit dem Tier ihr blaues Wunder. Bald müssen sie ihr Blumenbeet neu anpflanzen, die Karottenernte können sie in den Wind schreiben, die durchgebissene Tür muss repariert werden und nicht zuletzt gilt es den Hunger des kleinen Wombat zu stillen. Am Ende gräbt sich der Wombat ein neues Erdloch, und zwar direkt unter das Haus der Familie, damit er den Menschen noch etwas näher sein kann. Die Moral von der Geschicht lautet dann so: "Have decided that humans are easily trained and make quite good pets." In dieser Schlusspointe liegt die Stärke des Buches. Sie stellt die Welt des Lesers auf den Kopf. Nicht der Mensch macht sich den Wombat zum Haustier, sondern umgekehrt. Durch diesen Perspektivwechsel gewinnt der Wombat weitere Sympathiepunkte beim Leser, der sich ob dieser komischen Wendung den Bauch vor lauter Lachen halten muss. Das Buch ist dazu grossartig illustriert. Es macht nicht nur Spass es vorzulesen, sondern auch einfach nur die Bilder zu betrachten. Viele Ideen im Buch sind natürlich nicht ganz neu. Es ist offensichtlich, dass Jackie French einiges vom Erzählstil des grossen Eric Carle abgeschaut hat und auch der Perspektivwechsel zwischen Mensch und Tier findet man schon an anderer Stelle. Dennoch, hier wurden gute Ideen auf hervorragende Weise neu arrangiert und mit einer einzigartigen Illustration versehen, so dass ein eigenständiges Meisterwerk entsteht, dass uns lehrt die Welt nicht eindimensional wahrzunehmen, sondern auch das Undenkbare in den Blick zu nehmen.
P.S.: Zum Schluss noch eine wichtige Korrektur. Soeben habe ich entdeckt, dass das Buch unter dem Titel "Tagebuch eines Wombat" in deutscher Übersetzung 2014 beim Gerstenbergverlag erschienen ist. Dafür vielen Dank nach Hildesheim. https://www.gerstenberg-verlag.de/suche.html?suche=tagebuch+wombat&suchen=suchen


Donnerstag, 7. Mai 2015

Mousepaint von Ellen Stoll Walsh
Tja, Lionel Messi hatte mal wieder einen Lauf. Fast im Alleingang hat er dem 1. FC Bayern die Grenzen aufgezeigt. Ab der 70 Minute haben die Bayern rot gesehen. Rot, wie es roter nicht sein kann. Nicht orange und auch nicht lila. Als eine der drei Komplementärfarben kommt der Farbe rot auch in Ellen Stoll Walshs Buch Mousepaint eine zentrale Rolle zu. Mousepaint erzählt die grossartige Geschichte von drei weissen Mäusen, die sich auf einem weissen Blatt Papier vor der Katze verstecken. Eines Tages finden sie jedoch drei Farbklexe. Einer ist rot, einer blau und einer gelb. Mit diesen bemalen sie das Blatt. Eine Stelle wird rot, eine blau und eine gelb. Danach beginnen sie die Farben zu mischen und malen dann weiter mit orange, mit lila und mit grün. Aber ein Teil des Papiers bleibt weiss, damit sie sich auch weiterhin vor der Katze verstecken können. Das grossartige Vorlesebuch amüsiert den Leser gleich zweifach: Einmal durch die Illustration der drei drolligen Mäuse, die offensichlich grossen Spass beim Farbklexhüpfen haben und dann aber auch durch die witzige Nebengeschichte mit der Katze, die niemals ihren Leckerbissen bekommen wird, weil die schlauen Mäuse ihr einfach immer eine Schwanzlänge voraus sind. Mouspaint erfüllt die Kriterien eines Sachbuches, schliesslich steht die Wissensvermittlung im Vordergrund, ist aber auch ein klassisches  Bilderbuch. Es ist ein hervorragendes Beispiel für ein gelungenes Bilderbuch, dass sich jeder eindeutigen Kategorisierung entzieht. Nicht zuletzt, weil gängige Genredefinitionen häufig zu kurz greifen, ist dieser Blog mit "lesen, lachen, lernen" überschrieben. Sind diese Kriterien in besonderer Qualität erfüllt, dann handelt es sich um ein hervorragendes Bilderbuch. Mouspaint zeigt, dass Lachen nicht immer Komik im klassischen Sinn sein muss, sondern auch viel subtiler sein kann. Bei Mousepaint haben alle ihren Spass. Die Leser ebenso wie die Mäuse. Nur die Katze nicht. Sie sieht aber auch nicht rot, denn sie bemerkt erst gar nicht, wie ihr mitgespielt wird.

Mittwoch, 6. Mai 2015

Frog and Toad - A List
Der 1. FC Bayern München spielt heute in der Champions League gegen den FC Barcelona. Bayern hat eine lange Verletzungsliste und tritt mit einer ersatzgeschwächten Mannschaft an. Barcelona scheint übermächtig. Dennoch haben die Bayern in der letzten Woche versucht alle Register zu ziehen und ihre Hausaufgaben zu machen. Niemand weiss genau, wie Pep Guardiolas die Mannschaft vorbereitet hat. Eines ist aber sicher: man kann viel planen und sich akribisch vorarbeiten, am Ende gilt es jedoch immer auch sponatan und flexibel und manchmal auch einfach stoisch gelassen zu bleiben. Das lehrt schon Arnold Lobels Bilderbuch "Frod and Toad together - A list" aus dem Jahr 1979, HarperCollins. Morgens wacht die Kröte auf und schreibt noch im Bett "A List of Things to do". Darauf steht: Aufstehen, Anziehen, sich mit Frosch treffen und spazieren gehen. Und natürlich noch viele weitere Dinge. Mit stolz präsentiert die Kröte diese Liste seinem Freund dem Frosch. Der Frosch ist beeindruckt. Der gemeinsame Spaziergang beginnt. Dann passiert das Unvorhergesehene. Der Wind bläst die Liste davon. Kröte und Frosch versuchen verzweifelt sie wieder einzufangen. Vergeblich. Die Liste bleibt verschwunden. Die Kröte ist verzweifelt. Ohne die Liste weiss sie nicht, wie der Tag nach dem Spaziergang fortgesetzt werden soll. Sie setzt sich ins Gras und versucht verzweifelt alle Dinge die sie tun wollte, zu erinnern. Es gelingt ihr nicht. Erst als schon die Dämmerung hereinbricht, schöpft die Kröte Hoffnung. Sie sagt zum Frosch: "Jetzt fällt mir wieder ein, was ganz zum Schluss auf meiner Liste stand. Ins Bett gehen!" Gedacht, gemacht. Und die beiden Freunde gingen zusammen nach Hause und legten sich schlafen. Wie auch alle anderen Geschichten der "Frog and Toad"-Reihe, bringt auch diese den Leser durch unvorhergesehene Verwicklungen zum Lachen. Man freut sich mit der Kröte, als sie endlich einen Ausweg aus ihrer zwangslage findet. Man leidet mit ihr, als sie vor lauter Verzweiflung naheliegende Lösungen nicht erkennen will. Darum geht es auch heute Abend, im Spiel FC Barcelona vs. Bayern München.

Dienstag, 5. Mai 2015

Das Land Baden-Württemberg feiert jedes Jahr in einer anderen Stadt die Heimattage Baden-Württemberg. Aber was ist eigentlich Heimat? Ein wichtiger Hinweis findet sich in dem Bilderbuchklassiker "Oh wie schön ist Panama" von Janosch. Tiger und Bär verlassen ihre Heimat, um nach Panama, dem Land ihrer Träume, auszuwandern. Sie laufen jedoch im Kreis, was für einige Verwicklungen und beim Leser für Heiterkeit sorgt. Am Ende kommen sie wieder an ihrem alten Zuhause an und halten es, nichts ahnend wo sie wirklich sind, für das Land ihrer Träume. Gleich mehrer Wahrheiten stecken in diesem vielschichtigen Bilderbuch.
1. Man nimmt die eigene Heimat oft viel zu wenig war.
2. Die eigene Heimat will immer wieder neu entdeckt werden.
3. Zuhause ist es viel schöner als man denkt.
4. Es lohnt sich immer mal auf reisen zu gehen, weil man gute Anregungen für Verbesserungen im eigenen Zuhause erhält. Tiger und Bär wünschen sich für ihr Heim ein neues Wohlfühlsofa.
5. Heimat gilt es immer wieder neu zu gestalten.
Für die eigene Heimat gilt deshalb sehr oft, was Tiger und Bär über das Land ihrer Träume singen: "Oh wie schön ist Panama, da werden alle Träume wahr."

Montag, 4. Mai 2015

70 Liter Regen am Wochenende lassen die Vegetation explodieren. Der Frühling ist jetzt richtig angekommen. In seinem Bilderbuch "Frog and Toad - The Corner", beschreibt Arnold Lobel auf köstliche Art und Weise die Ankunft des Frühling. Ausgangspunkt für eine lange Suche nach dem Frühling ist die Redewendung "spring is just around the corner". Sie macht Lust zum Lesen und Vorlesen und führt die Zuhörer in den Wald, auf die Weide und zum Fluss. Dabei gibt es viele Ecken zu entdecken, aber nirgendwo befindet sich der Frühling "um die Ecke". Die Bilderbuchgeschichte ist jedoch so witzig erzählt, dass man mit dem kleinen Frosch mitfiebert und bei jeder Enttäuschung lachen muss. Die Suche nach dem Frühling soll sich am Ende natürlich lohnen, denn als der Frosch um die letzte Ecke seines Elternhauses biegt, von wo er einen grossartigen Blick auf den elterlichen Garten hat, kann er sehen, dass der Frühling wirklich angekommen ist. Die Moral von der Geschicht: Redewendungen darf man nicht wörtlich nehmen. Wenn man es dennoch tut, dann warten viele Enttäuschungen und auch Überraschungen auf einen. Aber nur wenn man Redewendungen wörtlich nimmt, findet man heraus, wo sie ihren Ursprung haben. Leider mal wieder ein super Kinderbuch, für das es keine deutsche Übersetzung gibt und vermutlich auch nicht mehr geben wird, denn das Buch ist bei #HarperCollins bereits vor fast 40 Jahren erschienen.

Sonntag, 3. Mai 2015

Eines meiner liebsten amerikanischen Bilderbücher ist "Little Blue Truck Leads the Way" von Alice Schertl und Jill McElmway. Wundervolle Reime machen es zum perfekten Vorlesebuch. Der alte blaue Pritschenwagen, der zufällig und ungewollt im Verkehrschaos der Grosstadt zum Helden wird, ist ein Sympathieträger, mit dem man lachen kann, wenn er der grossen und überheblichen Bürgermeisterlimousine den Schneid abkauft. Und die Moral von der Geschicht: Manchmal kommt man langsamer schneller ans Ziel und auf jeden Fall lohnt es sich die Ruhe zu bewahren. Auch für dieses Buch gibt es leider keine deutsche Übersetzung und das, obwohl das Buch so erfolgreich verkauft wurde, dass der kleine blaue Pritschenwagen sogar in ein zweites Abenteuer geschickt wurde. Die englischen Originaltexte gibt es zwischenzeitlich auch als Kindl-Edition.
Bilderbücher leben von Illustrationen. Meine Favoriten: Eric Carle mit die Kleine Raupe Nimmersatt, Rod Clement mit Edward the Emu, Bruce Whatley mit Diary of a Wombat, Nicolas Oldland mit Making the Moose out of Life. Was ich nicht kann, gut beschreiben, was eine super Illustration von einer guten unterscheidet. Wer hat hier mehr Talent?

Samstag, 2. Mai 2015

Mein Lieblingsbilderbuch aus Australien ist "Edward the Emu". Es handelt von Selbstzweifeln, von einer Odyssee und von der Suche nach dem grossen Glück. Am Ende findet Edward the Emu die grosse Liebe und zwar nicht irgendwo, sondern am Startpunkt seiner Reise. Das Buch ist in Reimen verfasst und ein grossartiges Vorlesebuch. Die Illustrationen sind brillant und humorvoll und bieten viele Gelegenheiten zum Lachen. Und man lernt auch was: Ohne Selbstvertrauen hat man es schwer im Leben und manche Reise führt nicht zum Ziel, muss aber dennoch unternommen werden, weil sie auf ungeahnte Weise neue Gelegenheiten eröffnet. Aus dem Original von Sheena Knowles und Rod Clement: "Edward the Emu was sick of the zoo. There was nowhere to go and nothing to do. And compared to the seals that lived right next door, well being an Emu was frankly a bore." Das Buch war so erfolgreich, dass es mit "Edwina the Emu" sogar eine Fortsetzung gefunden hat. Beide Bücher wurden nie in deutscher Sprache veröffentlicht. Sehr, sehr schade. Warum eigentlich nicht?