Mittwoch, 13. Mai 2015

Petterson und Findus - Eine Geburtstagstorte für die Katze von Sven Nordqvist

Die Wissenschaft investiert viel Zeit und Geld, um die Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge in ganz verschiedenen Kontexten zu erforschen. Auf diesem Wissen basiert der Erfolg der Industriegesellschaft. Ursache und Wirkung sind ganz wesentliche Größen des rational denkenden Menschen. Sie sind Grundlage von komplexen Produktionsprozessen, aber auch des ganz normalen Alltags. In der Regel sind Ursache- und Wirkungszusammenhänge so selbstverständlich, dass wir sie nicht hinterfragen. Sie fallen uns jedoch dann auf, wenn wir gerade nicht erklären können, was eine bestimmte Wirkung verursacht hat oder wenn wir eine bestimmte Wirkung erzielen wollen, aber die Voraussetzungen dafür fehlen. Um letzteren Fall geht es in dem großartigen Vorlesebuch "Petterson und Findus - Eine Geburtstagstorte für die Katze", dem Erstlingswerk einer hervorragenden Bilderbuchreihe von Sven Nordqvist. Alles beginnt ganz harmlos. Findus hat Geburtstag und wünscht sich von Petterson eine Pfannkuchentorte. Bei der Zubereitung bemerkt der Alte, dass kein Mehl mehr da ist. Damit beginnt eines der großartigsten Verkettungspiele, die der Bilderbuchmarkt kennt und die sich der Oetinger-Verlag gesichert hat. Petterson will Mehl kaufen, kommt aber nicht ins Dorf, weil sein Fahrrad einen Platten hat. Eine Reparatur ist nicht möglich, weil das Werkzeug im Schuppen und die Tür verriegelt ist. Der Schlüssel fehlt und wird schließlich im Brunnen gefunden. Um ihn zu bergen braucht es eine Angelrute, die auf dem Dachboden liegt. Dort kommt man nur mit einer Leiter hin, die aber leider auf der Stierkoppel steht. Wer die Leiter will, muss erst einmal den Stier ablenken. Diese Rolle kommt Findus zu. In diesem herausragend illustrierten Kinderbuch geht es spannend und überraschend zur Sache. Das Beste ist jedoch ein Erzählstrang, der sich in zwei Richtungen entwickelt. Je komplizierter die Geschichte wird und je mehr Verwirrungen es gibt, was beim Leser schon für viele Lacher und beste Unterhaltung sorgt, desto länger wird die unglückliche kausale Kette, die die beiden Protagonisten immer weiter von ihrem eigentliche  Ziel, der Pfannkuchentorte, entfernt. Dies gipfelt in dem Hinweis des Alten an Findus: " Wenn du den Stier nicht ablenkst, dann komme ich nicht an die Leiter, nicht an die Angel, nicht an den Schlüssel, ich kann die Tür zum Schuppen nicht öffnen und auch nicht das Fahrrad reparieren und dann kann ich auch kein Mehl für deine Geburtstagstorte besorgen." Bang, das hat gesessen. Jetzt ist klar, wie die Zusammenhänge sind und wie sie aufgelöst werden können. Natürlich gibt Findus den Stierkämpfer, denn der Appetit auf die Pfannkuchentorte ist einfach zu groß. Gesagt, getan. Der Stier wird abgelenkt und die kausale Verkettung wird aufgelöst. Schritt für Schritt wird sie langsam aber sicher abgearbeitet. Am Ende ist das Fahrrad repariert, das Mehl gekauft und die Pfannkuchentorte gebacken. Die großartige Geschichte, die zunächst vorwärts entwickelt wurde, um schließlich rückwärts abgearbeitet zu werden, ist von Erfolg gekrönt. Es benötigt kein Wunder für die gewünschte Geburtstagsfeier. Die Moral von der Geschicht: Fleiß, Geduld und die Abarbeitung der erforderlichen Zwischenschritte reichen vollkommen, um die gewünschte Wirkung zu erreichen. Auch die moderne Wissenschaft macht es sich zur Aufgabe lückenlose Ursache und Wirkungsbeziehungen darzustellen. Die Sozialwissenschaft verwendet dafür die Methode des Process Tracing. Im Endeffekt ist das nichts anderes, als was Sven Nordqvist in seinem Werk von 1984 vorführt. Übrigens das brillanteste der gesamten Petterson und Findus-Reihe.
  

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